Ein „Orgelwerk größten Styls“

Jakoba Marten-Büsing spielte im Freiburger Münster

Von 1972 bis zu seinem frühen Tod 1988 wirkte Horst Hempel als Kantor an der Freiburger Christuskirche – und komponierte gelegentlich: Er, einst in Leipzig ausgebildet, war Jakoba Marten-Büsing erster Orgellehrer. Sein Andenken wird, man weiß es, von dieser Freiburger Organistin in Ehren gehalten. Beim Konzert im Münster erklang jetzt die „Toccata choralis“, das – auch auf CD vorliegende – Opus von 1986, in dem Hempel Elemente des Chorals „All Morgen ist ganz frisch und neu“ gekonnt in ein Klanggewand der modernen Tonkunst kleidet. Fetzen, Blitze, sich ungestüm auftürmende Cluster: Das ist konzentriert in Form gebracht. Ein knappes Werk, das an der barock disponierten, schwellwerklosen Schwalbennestorgel schön realisierbar ist. Dort, wo die Interpretin so ausdrucks- wie geschmackvoll auch Buxtehude und Bach bot. Wobei sie zwischen Bachs Präludium und Fuge C-Dur das a-Moll-Largo aus der C-Dur-Triosonate geschoben hatte (eine Praxis, die man in Freiburg auch noch von Ludwig Doerr kennt). Kleine Einschränkung indes: Das nun gewählte zu rasche Tempo und das Non-legato-Spiel bekamen dem doch eher gravitätisch gemeinten Präludium nicht sonderlich gut.

Diese Interpretin hängt sich rein. Respekt!

Am Hauptspieltisch dann, mit einer auf Farben und Effekt setzenden Fanfare Mario Castelnuovo-Tedescos als Intermezzo, zweimal später Max Reger. Dessen Musik – das war die eigentliche Überraschung – Jakoba Marten-Büsing ganz ausgezeichnet spielt. Sie hängt sich rein. Schon bei der „Trauerode“ aus dem nicht unumstrittenen op. 145 bewies die Freiburgerin ihre Reger-Kompetenz. Mystik, Farben, Expressivität, Technik: alles bestens. Kompliment! In zarter Fernwerk-Entrücktheit der finale Choral „Was Gott tut, das ist wohlgetan“. All dies erhöhte die Spannung auf Fantasie und Fuge op. 135b, jene vom Komponisten als „Orgelwerk größten Styls – aber nicht zu lang“ apostrophierte und 1916 posthum in Hannover uraufgeführte, Richard Strauss zugeeignete d-Moll-Schöpfung. Von Beginn an sehr musikalisch und dem Genre adäquat die Wiedergabe. Zu dem sehr klar –wenn etwa in der Fuge bei der Kombination beider Themen das ruhige Thema I zur Verdeutlichung per Zungenstimme unterstützt wurde. Schade aber die (ansonsten ja noble evangelische) Zurückhaltung bei den Satzschlüssen: Auch beim späten Reger, zumal wenn er ein „Organo pleno“ vorschreibt, darf man’s krachen lassen... Wegen der ärgerlichen Baugerüste und deren Soundkiller-Wirkung wäre es am Platze gewesen, alle stilistisch möglichen Reserven zumobilisieren.

Die Münsterreihe ist zu Ende. Schlusswort an die Adresse der Verantwortlichen zur Gerüst-Affäre: Entweder man restauriert, oder man veranstaltet Orgelkonzerte. Nur eines geht.

Johannes Adam

Artikel in der Badischen Zeitung vom 27.09.2007